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Flucht über das Meer – Reise ins Ungewisse

Flucht und Migration haben ein junges Gesicht. Nach Schätzungen von UNICEF wachsen heute weltweit fast 50 Millionen Kinder in der Fremde auf.

Geflüchtete und migrierte Kinder und Frauen sind auf der Route über den zentralen Mittelmeerraum von Nordafrika nach Italien der permanenten Gefahr von sexueller Gewalt, Ausbeutung, Missbrauch und Festnahmen ausgesetzt, warnt UNICEF in einem neuen Bericht. 

 „A Deadly Journey for Children: The Central Mediterranean Migrant Route” liefert einen tiefen Einblick in die extremen Risiken und Gefahren, denen geflüchtete und migrierte Kinder auf ihrem Weg von Subsahara-Afrika über Libyen nach Italien ausgesetzt sind. Für den Bericht wurde eine umfangreiche Befragung betroffener Kinder durchgeführt. Die Ergebnisse sind zum Teil erschreckend: Drei Viertel der befragten Kinder gaben an, dass sie zumindest einmal während der Flucht mit Gewalt, Bedrohungen oder Aggressionen durch Erwachsene konfrontiert waren. Die Hälfte der interviewten Frauen und Kinder berichteten über sexuellen Missbrauch während der Migration – oft mehrere Male an verschiedenen Orten. 

Im Jahr 2016 sind circa 4.600 Menschen beim Versuch von Libyen über das Mittelmeer nach Italien zu kommen, gestorben – das ist jede 40. Person. UNICEF schätzt, dass mindestens 700 Kinder unter den Opfern waren. 

"Das zentrale Mittelmeer zwischen Nordafrika und Europa ist eine der gefährlichsten Migrationsrouten für Kinder und Frauen weltweit", so Afshan Khan, UNICEF Regionaldirektor und Koordinator für die Flüchtlingskrise in Europa. „Die Route wird zum Großteil von Schleppern, Menschenhändlern und jenen Menschen kontrolliert, die verzweifelte Kinder und Frauen ausnutzen, welche einfach nur Schutz oder ein besseres Leben suchen. Wir brauchen sichere und legale Wege und Schutzmaßnahmen, um migrierende Kinder zu schützen und solche gefährlichen Personen von ihnen fernzuhalten.“

Daten aus einer Ende 2016 durchgeführten Studie über migrierte Frauen und Kinder in Libyen enthüllen das schreckliche Ausmaß der Missbrauchsfälle entlang der Migrationsroute. Zu dieser Zeit wurden 256.000 MigrantInnen und Flüchtlinge in Libyen registriert. Unter ihnen waren 30.803 Frauen und 23.102 Kinder – ein Drittel davon unbegleitet und schutzlos. Die Dunkelziffer wird jedoch dreimal so hoch geschätzt. Die meisten Frauen und Kinder gaben an, dass sie am Anfang ihrer Flucht illegale Schlepper bezahlt hatten, für weitere Etappen aber zusätzliche Zahlungen verlangt wurden. Dies erhöhte die Gefahr, Opfer von Missbrauch, Entführung und Menschenhandel zu werden. 

Frauen und Kinder berichteten zudem über raue und überfüllte Bedingungen in den Schubhaftzentren in Libyen. Des Weiteren gebe es Engpässe bei der Versorgung mit Nahrungsmitteln und einen Mangel an adäquaten Unterkünften.  

Kinder sollten nicht dazu gezwungen werden, ihre Leben Schmugglern anzuvertrauen, nur weil es keine Alternativen gibt“, sagt Khan. „Wir müssen uns der weltweiten Auslöser und Treiber von Migration annehmen und zusammenarbeiten, um legale Grenzübertritte von Kindern zu ermöglichen, egal ob sie flüchten oder migrieren.“

Die von UNICEF entwickelte Agenda zum Schutz und zur Hilfe von Kindern während Migrationsbewegungen umfasst sechs Punkte:

  1. Geflüchtete und migrierte Kinder, insbesondere unbegleitete, müssen vor Gewalt und Ausbeutung geschützt werden.
  2. Die Inhaftierung von Kindern aufgrund ihres Aufenthaltsstatus muss beendet werden. Praktische Alternativen zur Haft sollten entwickelt werden, wenn Kinder involviert sind – denn eine Inhaftierung von Kindern hat oft schwerwiegende negative Auswirkungen auf ihre Entwicklung.
  3. Die Wahrung der Familieneinheit ist der beste Weg, Kinder zu schützen und ihnen einen sicheren rechtlichen Status zu geben.
  4. Alle geflüchteten und migrierten Kinder müssen Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung sowie psychosozialer Betreuung erhalten.
  5. Die Ursachen, die den großen Flucht- und Migrationsbewegungen zugrunde liegen, müssen bekämpft werden.
  6. In den Transit- und Zielländern müssen Maßnahmen gegen Fremdenfeindlichkeit, Diskriminierung und Marginalisierung gefördert werden.

UNICEF fordert die Regierungen und die Europäische Union dazu auf, diese Forderungen zu unterstützen und in die Praxis umzusetzen.

Seit dem Beginn der UNICEF-Antwort auf die Flüchtlingskrise Ende 2015, arbeitet das Kinderhilfswerk durchgehend daran, die Bedürfnisse von flüchtenden und migrierenden Kindern in Europa oder auf dem Weg nach Europa zu erfüllen. Bisher konnte UNICEF bereits 182.500 migrierte und geflüchtete Kinder mit seiner Hilfe erreichen. UNICEF baut außerdem seine Hilfsprogramme in Griechenland und Italien aus und unterstützt die Regierungen dabei, Möglichkeiten der Familienzusammenführung zu verbessern und Kindern die notwendigen Hilfsleistungen zu geben. 

Trotz der praktischen Herausforderungen in Libyen arbeitet UNICEF mit Partnern weiterhin daran, dass die verletzbarsten Kinder im Land den Schutz und die humanitäre Hilfe bekommen, die sie brauchen. Zu diesem Zweck wurden im April 2015 Kooperationsvereinbarungen mit einer Reihe von libyschen Gemeinden unterzeichnet.

Foto: Shutterstock/Anjo Kan