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Säuglingsnahrung: Standards steigen, Unterschiede bleiben

Ab dem kommenden Jahr gelten in der EU neue Regeln für die Zusammensetzung von Säuglingsnahrung. Experten begrüßen die Weiterentwicklung der bestehenden Normen. Doch auch in Zukunft gilt: Nicht alle Säuglingsmilchen sind gleich – auch die neuen EU-Regeln schließen nicht die Lücke zwischen forschungsbasierten Rezepturen und solchen, die nur die Mindeststandards erfüllen.

Muttermilch ist für Babys die allerbeste Nahrung - doch manche Mütter können oder wollen nicht stillen - beziehungsweise nicht ausschließlich. Für deren Kinder gibt es industriell hergestellte Säuglingsnahrung. Gerade in den ersten Lebensmonaten und -jahren ist die Ernährung von herausragender Bedeutung für das Wachstum und eine gesunde Entwicklung. Deshalb stellt die Europäische Union zu Recht hohe Anforderungen an Säuglingsnahrung und passt diese immer wieder an den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Forschung an.

Was ändert sich im Jahr 2020? Ab Februar gilt eine neue EU-Verordnung, die durch verpflichtende und optionale Inhaltsstoffe die Zusammensetzung von Anfangs- und Folgenahrungen reguliert. Für sogenannte HA-Nahrungen, also spezieller Babynahrung mit hydrolysiertem (aufgespaltenem) Eiweiß, gilt die Verordnung ab 2021.

Unter Forschern und Fachärzten der Kinderheilkunde ist mittlerweile unumstritten, dass zu viel Protein im Säuglings- und Kleinkindalter problematisch ist, insbesondere im Hinblick auf ein erhöhtes Übergewichtsrisiko. Aus diesem Grund wurde der Höchstwert für Eiweiß deutlich gesenkt. Gleichzeitig hob die EU zum Beispiel den vorgeschriebenen Mindestwert für essentielle Nährstoffe wie Linolsäure an. Zudem müssen alle Milchnahrungen künftig Docosahexaensäure (DHA) enthalten – bis dahin war die Zugabe optional und nur einige wissenschaftlich basierte Milchnahrungen enthielten diesen wichtigen Inhaltsstoff.

Forschungsbasierte Nahrungen überbieten den gesetzlichen Mindeststandard

Die EU setzt also bei Mikro- und Makronährstoffen Mindeststandards für alle Anbieter. Doch es wird auch weiterhin Qualitätsunterschiede geben. Denn die Verordnung stellt Herstellern frei, optionale Inhaltsstoffe wie die Ballaststoffmischung GOS/FOS (Galacto-Oligosaccharide und Fructo- Oligosaccharide im Verhältnis 9:1) oder die Omega-6-Fettsäure Arachidonsäure (ARA) hinzuzufügen.

Auch andere auf Basis intensiver Forschung entwickelte Inhaltsstoffe dürfen hinzugefügt werden – wenn deren Sicherheit und Wirksamkeit wissenschaftlich nachgewiesen sind. Von dieser Möglichkeit machen die Hersteller forschungsbasierter Folgemilch Gebrauch. Nicht vorgeschriebene, aber von vielen Experten empfohlene Inhaltsstoffe sind beispielsweise bestimmte Milchsäurebakterien oder humane Milch-Oligosaccharide (HMOs), die auch in beachtlichen Mengen in Muttermilch vorhandenen sind.

Unter anderem stellte Professor Karl Zwiauer, Leiter der Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde an der Universitätsklinik in St. Pölten bei einem Expertengespräch fest: Sofern Säuglinge nicht gestillt werden, ist es evident, dass Milchen von einem Unternehmen, das Forschung betreibt, zu bevorzugen sind.“ Wenn Eltern unsicher bei der Produktauswahl sind, ist es immer ratsam, die Kinderärztin oder den Kinderarzt zu konsultieren, der fachliche Auskunft geben kann.

Hintergrundinformationen

Die bisher gültige VO (RICHTLINIE 2006/141/EG DER KOMMISSION vom 22. Dezember 2006) finden Sie hier. Die neue Verordnung (DELEGIERTE VERORDNUNG (EU) 2016/127 DER KOMMISSION vom 25. September 2015), gültig ab 22.2.2020, finden Sie hier. Auf Einladung von Milupa trafen sich im Mai 2019 namhafte Experten aus Deutschland, Österreich und den Niederlanden, um einen kompetenten wie auch kritischen Blick auf diese neue Verordnung zu werfen. Es wurde über die wesentlichen Änderungen diskutiert und die teils gravierenden Unterschiede zwischen forschungsbasierter und Standard-Nahrung erörtert. Der Bericht wurde im September 2019 im Springer Verlag veröffentlicht und ist online hier abrufbar. An der Diskussion nahmen teil (im Bild v.l.n.r.):

  •   Prim. Univ. Prof. Dr. Karl Zwiauer, Leiter der Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde, Universitätsklinikum St. Pölten (AT)

  •   RA Mag. Jakob Hütthaler-Brandauer, Kanzlei Hütthaler-Brandauer, Wien (AT)

  •   Prof. Dr. Walter Mihatsch, Chefarzt der Kinder- und Jugendmedizin, Helios Klinikum, Pforzheim (D)

  •   Prof. Dr. Bernd Stahl, Leiter der Nutricia-Muttermilchforschung und der Analytik und Associate

    Professor of Glycobiology am Department of Pharmaceutical Science an der Universität Utrecht

    (NL)

  •   Dr. Christopher Mayr, Geschäftsführer von Milupa Österreich bis 09/2019

    Transparenzhinweis: Mag. Jakob Hütthaler-Brandauer, Prof. Dr. Walter Mihatsch und Prof. Dr. Karl Zwiauer haben für ihre Teilnahme am Experten-Round-Table ein Honorar erhalten. Prof. Mihatsch spendet sein Honorar der Leipziger Muttermilch Bank. Prof. Dr. Bernd Stahl ist Leiter der Nutricia- Muttermilchforschung und der Analytik.

Foto: Shutterstock - Anna Om