Das Schiff der Hoffnung für Kinder
Für all diejenigen, die noch nie etwas von Bowspirit Kids gehört haben: In drei Sätzen - wofür steht dieser Name?
Bowspirit Kids ist eine gemeinnützige Organisation. Unser Ziel ist es, ein schwimmendes Freizeit- und Erholungscamp für kranke und traumatisierte Kinder und Jugendliche zu schaffen und zwar an Bord eines älteren Passagierfährschiffes. Hierzu haben wir nun die Crowdfundraisingphase gestartet, denn es gibt bei uns nicht den „großen Unbekannten“, der diese Vision finanziert und umsetzt, sondern wir setzen auf viele kleine Beiträge von vielen ganz normalen Menschen wie du und ich, die sich von unserer Vision anstecken lassen und mithelfen.
Was genau haben wir uns unter einem schwimmenden Freizeit- und Erholungscamp vorzustellen?
Lass' mich deine Frage vielleicht mit einem Wortspiel beantworten, das mir Erich Kästner verzeihen möge: Wir möchten ein „schwimmendes Kinderzimmer“ schaffen. Ein Schiff auf dem es neben den Kabinen und den Bereichen, die für das körperliche Wohl nötig sind, wie Küche oder Restaurant, alles gibt, was das Kinderherz begehrt. Ein Ort an dem unsere jungen Gäste endlich wieder das sein dürfen, was ihnen Krankheit und / oder Trauma zeitweise verwehrt haben zu sein: Kinder.
Du hast deine Anwaltsrobe an den Nagel gehängt und auch noch den Erlös aus dem Verkauf deines Hauses eingesetzt. Lass´ uns bitte detaillierter über das reden, was du initiiert hast, damit die Leser verstehen können, warum du diesen Weg gehst.Du sprichst von kranken und traumatisierten Kindern. Das heißt, ihr habt Ärzte und Krankenschwestern an Bord und wollt dort Therapien durchführen.
Jain. Wir sind kein Hospitalschiff. Wer zu uns an Bord kommen möchte, muss die stationäre Therapie respektive einen Therapieabschnitt abgeschlossen haben. In dem Moment ist das Patientenkind zwar nicht mehr im Krankenhaus oder im Fall von Traumapatienten nicht mehr in der Akutbehandlung, aber eben auch noch nicht wieder gesund. Und da genau ist das Problem. Anschlussheilbehandlungen oder Rehabilitationsmaßnahmen gibt es für Kinder und Jugendliche in Deutschland nur unter sehr begrenzten Voraussetzungen, weil dies üblicherweise Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation der Rentenversicherungsträger sind, die Kinder aber keinen Beruf ausüben. Zum anderen knüpfen sie wenn, dann an ein im Reha-Zeitraum behandelbares Krankheitsbild. Wenn es aber darum geht, etwas Geschehenes in den eigenen Lebensweg zu integrieren und zu lernen damit umzugehen, dann versagen unsere Sozialsysteme an dieser Stelle. Und wenn wir ins europäische Ausland schauen, dann gibt es dort entsprechende Maßnahmen nicht für Erwachsene und schon gar nicht für die erkrankten Kinder oder deren Geschwisterkinder.
Das ist die Lücke, die ihr schließen wollt.
Das ist die Versorgungslücke, die wir als Gesellschaft schließen müssen ... und für die Bowspirit Kids eine Lösungsmöglichkeit anbietet. Wir möchten diesen Kindern zeigen, dass sie im Rest ihres Lebens trotz oder gerade wegen des Erlebten noch (fast) alles erreichen können.
Könnte man das nicht auch mit einer Reise ans Meer erreichen? Warum muss es eine Schiffsreise sein?
So habe ich ganz am Anfang ja auch gedacht. Ein Camp an der Ostseeküste. Je mehr ich darüber nachdachte, wer kommen soll und was während des Aufenthaltes passieren soll, desto klarer war, dass das nicht stimmig ist. Neben vielen Detailideen zur Umsetzung der Reisen, die noch ein bisschen Zukunftsmusik sind und an dieser Stelle daher etwas zu weit führen würden, wird unser Vorhaben von zwei Kerngedanken diesbezüglich getragen.
Unsere potentiellen Gäste sind zum Teil schlicht durch die Hölle gegangen. Wir denken daher, für diese Kinder und Jugendlichen sollte uns allen das Beste gerade gut genug sein. Und das ist eine Seereise ganz sicherlich auch heute noch - insbesondere wenn sie mit einem „schwimmenden Kinderzimmer“ erfolgt und man Bereiche des Schiffes kennenlernen und aufsuchen darf, die sonst ein Gast nie zu sehen bekommt. Dieses Erlebnis vergisst man nie. Ich stelle der negativen Krankheitserfahrung eine positive Erfahrung an die Seite - die löscht nicht aus, aber sie relativiert.
Zum Zweiten ist das Leben an sich doch auch eine Reise. Wir möchten unseren kleinen potentiellen Gästen zum Start in eine hoffentlich gesunde Zukunft eine ganz besondere Reise ermöglichen. Ginge diese Reise hingegen "nur" an eine Küste, wäre da eine Grenze - das Meer. Barrieren und Grenzerfahrungen haben unsere jungen Gäste hingegen mehr als genug erlebt. So wie wir es auch mit unserem Namen symbolisieren, wollen wir aber vermitteln, dass trotz des Erlebten noch (fast) alles möglich ist, wenn die Kinder und Jugendlichen mit unserer Hilfe sich wieder selbst zu vertrauen lernen und das Foul, das ihnen das Schicksal gespielt hat, in ihren weiteren Lebensweg integrieren lernen. Wir wollen im Hafen A abfahren und das Erlebte ein Stück weit hinter uns lassen - wir können es leider nicht ungeschehen machen. Und wir kommen im Hafen B wieder an. Und auch wenn es danach wieder nach Hause geht, werden unsere Gäste die Rückkehr in den Alltag aus einer anderen Perspektive betrachten und „aufrecht“ in ihr weiteres Leben zurückkehren können.
So ein Schiff kostet doch Unsummen in der Anschaffung und im Unterhalt? Mit dem Geld könnte man doch direkt an den Kindern in anderer Form viel mehr bewirken.
In deiner Frage ist mit dem Wort „Unsumme“ sprachlich bereits eine Wertung enthalten. Lass' uns bitte ohne Wertungen auf das Vorhaben schauen. Ja, die Anschaffung selbst eines älteren Passagierfährschiffes kostet Millionen Euro. Dafür bekomme ich ein fertiges Hotel mit Gastronomie, Küche, Zimmern und Gesellschaftsräumen. Wenn ich dies in vergleichbarer Größe an Land baute, dann wären die Kosten genauso hoch. Aber das Vorhaben hätte dann einen großen Nachteil – aus unserer Sicht zumindest –, denn es wäre immobil. Mit einem Passagierfährschiff bin ich nicht ortsgebunden und kann – neben den vorhin schon geschilderten therapeutischen Effekten auf die Reisenden – von verschiedenen Ausgangspunkten aus agieren. Ich kann zu den Gästen kommen und muss diese nicht durch halb Europa einfliegen lassen. Um es klar auszusprechen: Bowspirit Kids ist ein europäisch - nordamerikanisches Vorhaben. Bei kranken Kindern kennen wir keine Landesgrenzen.
Und auch der Unterhalt eines solchen Schiffes kostet Geld - ganz ohne Frage. Aber die Kosten pro Tag und Gast liegen in dem Rahmen der Tagespauschalen von Rehabilitations- oder Anschlussheilbehandlungen in der Bundesrepublik.
Also: Es ist richtig, wenn du sagst, dass wir für unser Vorhaben viel Geld benötigen. Es ist aber falsch, wenn damit die Wertung verbunden ist, es sei "zu teuer", nicht realisierbar oder Ähnliches. Das genau ist es nicht. Unser Kostenansatz ist vollkommen vergleichbar mit anderen Formen der Krankenversorgung.
Es geht um eine große Summe Geldes, die erstmal aufgebracht werden muss, bevor ihr richtig durchstarten könnt.
Nein. Es geht gerade nicht primär um Geld. Das ist eine typisch deutsche Sichtweise auf die Dinge, geprägt von dem, was unsere Mitmenschen im Ausland als "German Angst" bezeichnen. Der Blick auf die Summen von Euro, Dollar, Pfund oder Rubel, die wir benötigen, versperrt komplett den Blick auf das Wesentliche.
Und das wäre?
Die Frage, die sich jeder Einzelne stellen muss, ist doch eine ganz andere. Die Frage ist doch nicht, ob die Summe für den Start und dann auch künftig Jahr für Jahr zusammen kommen kann. Die richtige Frage ist doch vielmehr, was die von uns als großes Bild an die Wand gemalte Idee mit dir macht. Würdest du wollen, dass es einen solchen Ort für kranke und traumatisierte Kinder gibt? Oder denkst du, denen sollte man nicht helfen?
Wenn jeder denkt „Oh Gott, oh Gott, was für eine riesige Summe Gelde“", dann wird dieses Vorhaben niemals Wirklichkeit werden können. Wenn aber jeder, der die Idee wundervoll findet, einen Euro oder drei gibt und davon erzählt, dann sind wir schneller am Ziel als jeder Einzelne denkt. Wir sind 82 Millionen Deutsche. Gehen wir mal davon aus, dass die Hälfte davon uns nicht unterstützen kann, weil sie wirklich arm ist, noch im Kleinkindalter, zu alt oder Kinder einfach nicht ausstehen kann. Dann bleiben 41 Millionen Deutsche, von denen ich mir eigentlich nur einen Euro pro Kopf wünsche. Gibt jeder einen Euro und fünfzig Cent, sind Kauf und Betrieb der ersten Jahre, und sogar der Umbau zum umweltfreundlichen Vorzeigeschiff gesichert. Man sollte Milchmädchen nicht für dumm halten. Die Rechnung wird noch einfacher, wenn wir an die 512 Millionen Einwohner der Europäischen Union denken. Der Einzelne unterschätzt allzu gerne die Kraft der Einzelnen.
Du meinst der ängstliche Blick auf die Größe des Vorhabens ist wie der Blick des Kaninchens auf die Schlange?
Ja, genau. Klar können wir jetzt alle abwarten, bis der Ritter in goldener Rüstung auf seinem schwarzen Ross um die Ecke biegt, eine Kiste voll mit Gold abstellt und davonreitet.
Wir können uns aber auch einfach bei den Händen nehmen, jeder einen kleinen Beitrag leisten, der ihr oder ihm nicht weh tut, und Hand in Hand etwas Großes bewirken.
Ich fände das im Übrigen auch viel toller, denn was meinst du, was das für die Kinder bedeutet, wenn die wissen, dass Zigtausende, gar Millionen von Menschen aufgestanden sind, um ihnen zu helfen, obwohl sie sich gar nicht kennen ...
Und auch aus der Sicht der Unterstützer ist es doch toll zu wissen, dass jeder mit einem kleinen Beitrag Teil einer Großes bewegenden Gemeinschaft wird.
Das ganze Vorhaben wirkt auf mich, wenn ich mir eure Websites ansehe oder nur mal auf die Uhr sehe, wie lange wir schon sprechen, extrem komplex, aber auch extrem gut durchdacht.
Dankeschön für die Blumen. Das war das Ziel. Mir ist bewusst, dass unsere Websites für manchen viel zu viel Text enthalten. Manch einer hätte sich vielleicht eine Website mit dem Text „Wir wollen kranken Kindern helfen“ und einem Spendenbutton gewünscht. Aber das ist nicht meine Art zu denken und zu arbeiten. Ich werbe mit meinen Mitstreitern für eine Idee - und die muss ich so detailliert wie möglich skizzieren.
Was ich immer noch nicht begriffen habe, ist deine persönliche Wandlung. Vom Rechtsanwalt zum Robin Hood für Kinder?
Nein – eher vom Rechtsanwalt zum Advokat der Kinder. Ich habe meine Anwaltsrobe nebenan im Büro an die Wand gehängt – als Mahnung.
Als Mahnung?
Ja. Ich möchte nicht wieder für Menschen arbeiten, die meine Arbeit und mich nicht wertschätzen. Kinder sind da gnadenlos ehrlich. Die sagen dir sofort direkt ins Gesicht, dass du doof oder cool bist. Oder sie setzen sich plötzlich mitten aus dem Spiel heraus neben dich, während du im Garten Unkraut zupfst, beginnen mit dir zu zupfen und fangen an zu erzählen ... und den Eltern fallen die Augen aus, weil der vierjährige Filius noch nie etwas im Garten gemacht hat ...
Warum ausgerechnet du?
Das hat mich meine Mutter auch gefragt. Die Antwort ist denkbar einfach: Es musste jemand tun. Ich kam gerade des Weges - und ich hatte die Möglichkeiten.
Ist aber dennoch eine krasse Veränderung.
Eigentlich gar nicht. Wir Juristen arbeiten mit Sprache. Unser Fach ist verwandt mit den Sprachwissenschaften. Und ganz genau betrachtet sind wir Geschichtenerzähler. Ich erzähle vor Gericht die Geschichte aus Sicht meines Mandanten, aber mit meinen Worten und unter Verwendung meiner (vielleicht schon gerichtsbekannten) Autorität als Anwalt. Mein Anwaltskollege tut dasselbe, vermutlich mit einer leicht anderen Schwerpunktsetzung. Und am Ende erzählen uns die Damen und Herren auf der Richterbank, was sie von unseren Geschichten verstanden und behalten haben und wie diese nun weitergeht. Ich mache jetzt nichts anderes, nur dass meine „Mandanten“ ein bisschen jünger sind, keine wirtschaftlichen Interessen haben, sondern einfach nur eine Chance brauchen. Diese Chance ist Bowspirit Kids. Und ich stehe - wie seinerzeit vor Gericht - mit meinem Namen dafür.
Foto: Bowspirit Kids Group