Hausaufgaben formen den Charakter
Wer seine Hausaufgaben sorgfältig erledigt, profitiert möglicherweise nicht nur von besserer schulischer Leistung: Schülerinnen und Schüler, die ihre Hausaufgaben sorgfältig bearbeiten, weisen zudem eine günstigere Entwicklung der generellen Gewissenhaftigkeit auf als diejenigen, die sich bei ihren Hausaufgaben nur wenig anstrengen. Somit scheint die Schule nicht nur zum Lernen und zum Wissenszuwachs beizutragen, sondern auch die Persönlichkeit nachhaltig zu verändern, haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler herausgefunden.
Es ist bekannt, dass Hausaufgaben, die gründlich und genau bearbeitet werden, dazu beitragen können, den schulischen Erfolg zu steigern. Ebenso weiß man, dass die Gewissenhaftigkeit ein wichtiger Gradmesser für den schulischen Erfolg sein kann. Ob es aber umgekehrt auch zu einer Veränderung der Gewissenhaftigkeit kommt, wenn Hausaufgaben sorgfältig gemacht werden, haben die Wissenschaftler nun untersucht. Sie werteten Daten aus einer Langzeitstudie aus, bei der rund 2.800 Schülerinnen und Schüler aus Haupt- und Realschulen von Beginn der 5. Klasse an über drei Jahre jeweils wenige Wochen nach Beginn des Schuljahres befragt wurden. Sie mussten beispielsweise angeben, bei wie vielen der letzten zehn Hausaufgaben in Deutsch und Mathematik sie sich angestrengt hatten. Außerdem mussten sie einschätzen, für wie gewissenhaft sie sich selbst halten und Fragen beantworten, ob sie beispielsweise Pläne machen und diese auch durchführen oder ob sie ordentlich oder bequem und nachlässig sind. Zum Vergleich wurden auch die Eltern befragt, wie gewissenhaft sie ihre Kinder einschätzen und ob diese ihre Aufgaben gründlich erledigen.
Persönlichkeitsentwicklung wird gefördert
Es zeigte sich, dass diejenigen Schülerinnen und Schüler, die sich in den Klassen 5 bis 8 bei ihren Hausaufgaben anstrengten, davon auch in ihrer Gewissenhaftigkeit profitierten. Die Gewissenhaftigkeit von Teenagern nimmt in der Regel vor allem in den frühen Jugendjahren ab. Eine gründliche und genaue Auseinandersetzung mit den Hausaufgaben kann dieser Entwicklung offensichtlich entgegenwirken. Bei denjenigen, die angaben, sich über den Befragungszeitraum hinweg wenig Mühe bei den Hausaufgaben gegeben zu haben, sank die Gewissenhaftigkeit deshalb auch stark ab. Das sahen übrigens auch die Eltern so: Ihre Einschätzung deckte sich mit der Selbsteinschätzung der Schülerinnen und Schüler, auch wenn sie die Veränderungen weniger dramatisch wahrnahmen als ihre Kinder. „Dies zeigt, dass Hausaufgaben nicht nur für die schulische Leistung wichtig und sinnvoll sind, sondern auch für die Persönlichkeitsentwicklung, vorausgesetzt, sie werden gründlich und genau erledigt“, sagt Erstautor Richard Göllner. „Die Frage, ob die Hausaufgabenerledigung auch zur Entwicklung von Gewissenhaftigkeit beitragen kann, kommt in Diskussionen zur Rolle von Hausaufgaben bislang völlig zu kurz“, bemängelt Ulrich Trautwein, Direktor des Hector-Instituts für Empirische Bildungsforschung der Universität Tübingen. „Wir müssen genauer darüber nachdenken, welche Förderwirkung wir uns von Hausaufgaben versprechen und wie sie gewährleistet werden kann.“
Foto: Shutterstock