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„Kinderkoks“ - nein danke?

Anna Maria Sanders hat einen mittlerweile 18-jährigen Sohn mit ADHS. Die Erziehung war nicht immer einfach, aber sie würde ihr Kind um nichts in der Welt verändern. In ihrem bereits zweiten Buch über ADHS „Schon wieder hat Max…“ erzählt sie über ihre Erfahrungen mit der schwierigen Entscheidung: Medikamente ja oder nein?

 Viele Jahre lang wollte Anna Maria Sanders unbedingt ein Buch schreiben und hat sich 2014 den Traum mit „Ich dreh gleich durch! Tagebuch eines ADHS-Kindes und seiner genervten Leidensgenossen“ erfüllt. In diesem Buch trifft man zum ersten Mal auf Max und seine Familie und begleitet sie auf dem anstrengenden, aber auch unterhaltsamen Weg durch ein Leben mit einem ADHS-Kind. Vorlage für das Buch war ihr eigenes Leben. Denn Anna Maria Sanders hat selbst einen Sohn mit ADHS. Er ist das lebendige Vorbild für Max.

Raphael nennt sie ihn in der Öffentlichkeit, zu seinem eigenen Schutz. „
Weil „Max“ die Figur im Roman ist. Unser Sohn war dafür natürlich die Vorlage, aber ich wollte hier dennoch zwischen dem fiktiven Jungen mit ADHS und dem realen „Max“ unterscheiden. Ein Pseudonym musste ich für unseren Sohn dennoch wählen, da er bei der Entstehung des ersten Buchs erst 14 Jahre alt war und meinte, er würde nicht mehr in die Schule gehen, wenn ich nicht ein Pseudonym für mich als Autorin und eines für ihn verwenden würde. Die Angst, in der Schule als ADHS-Kind geoutet zu werden, war für ihn damals einfach zu groß.“ Heute – mit 18 Jahren – hat er damit kein Problem mehr. Er hat mittlerweile erkannt, dass auch großartige Stärken in ihm stecken, die er höchstwahrscheinlich seinem ADHS zu verdanken hat. 

Das neue Buch heißt „Schon wieder hat Max…“ und dreht sich um „Therapie, Medikation und andere komische Wörter“. Mit ihm möchte Sanders Eltern zeigen, wie man den Weg in die Entscheidungsfindung erfolgreich meistern kann. „Eltern von Kindern mit ADHS müssen sich ausreichend informieren, um die für IHR Kind richtige Entscheidung in Bezug auf Medikamente treffen zu können, denn die Entscheidung hängt zum einen vom Ausprägungsgrad der ADHS und zum anderen von den persönlichen Umständen der betroffenen Kinder ab – und die kennen nur die Eltern.“

Trotzdem kann sie die Eltern mit Tipps und Tricks unterstützen, wie die Entscheidung vielleicht ein bisschen leichter fällt: „Es gibt dabei zwei ganz wichtige Dinge: Ich muss mich als Mama oder Papa wohl bei dem Arzt oder Experten fühlen, der mir vorschlägt, mein Kind mit Medikamenten zu unterstützen oder mir rät, es eben ohne zu versuchen. Ich muss mich also mit seinem Vorschlag – denn die letzte Entscheidung liegt ja dann bei den Eltern - wohl fühlen. Die Entscheidung für oder gegen Medikamente hängt schlussendlich zum einen vom Grad der ADHS ab, also wie stark mein Kind betroffen ist, zum anderen von all den anderen Umständen der jeweiligen individuellen Familiensituation. Also davon, wie früh ein Kind diagnostiziert wurde – wie lange es also schon unbehandelt ist -, ob sich mein Kind täglich vorwiegend in meiner Betreuung oder in Fremdbetreuung (Kita, Schule, …) befindet, wie gut es im Alltag mit den Anforderungen klar kommt, usw.“

Anna Maria Sanders und Raphaels Vater haben sich gegen eine Behandlung mit Medikamenten entschieden. Grund dafür war die Naturverbundenheit der Familie und natürlich die Angst vor Nebenwirkungen. Deshalb wollten die drei es zunächst ohne Medikamente versuchen – und es hat funktioniert. Bereut haben sie diese Entscheidung nie, auch wenn es Momente gab, die schwierig waren und in denen sie die Wahl hinterfragt haben. „Es war eine extrem heftige Zeit, begleitet von vielen Zweifeln, ob wir denn alles richtig machen.“  Geholfen hat den Eltern, sich immer wieder vorzuhalten, dass sie das Beste für ihren Sohn wollen und nicht das, mit dem sie die Macht nicht verlieren.

„Es hätte theoretisch auch ins Auge gehen können. Soweit man es aus heutiger Sicht beurteilen kann, ist alles mehr als gut ausgegangen, aber es hätte auch anders kommen können.“ Trotzdem ist auch Raphael froh, keine Medikamente bekommen zu haben. Auch jetzt möchte er noch keine nehmen, obwohl seine Mutter ihm die Vorteile, die Medikamente für ihn haben könnten, vor Augen gehalten hat. Ganz wichtig ist Anna Maria Sanders dabei aber zu betonen: „Das ist nur UNSER Weg, der in UNSERER spezifischen Situation für UNSER Kind gepasst hat. Das soll nicht Vorbildfunktion haben und nun jeder denkt: „Na, wenn es bei den Sanders geklappt hat, muss das bei uns wohl auch klappen.“ Das wäre völlig an dem vorbei, was ich zum Thema Medikamente rate.“ 

Wenn es um Medikamente geht ist nämlich am Wichtigsten, ob sie zu der Situation der Familie und dem Krankheitsbild des Kindes passen.  Nicht immer ist eine medikamentöse Behandlung die richtige Entscheidung. Wirklich dringend wird sie laut Sanders erst: „(1) Wenn durch bisherige Therapien nach einigen Monaten keine befriedigende Besserung erkennbar ist. (2) Wenn eine deutliche Beeinträchtigung im Leistungsbereich oder im sozialen Umgang mit anderen erkennbar ist. (3) Wenn dadurch ein starker Leidensdruck bei Kindern und ihrem Umfeld entsteht. (4) Wenn Gefahr für die weitere Entwicklung des Kindes besteht. (5) Wenn es zu krisenhaften Zuspitzungen kommt.“

Inwieweit die Eltern die Entscheidung für oder gegen Medikamente treffen sollte auch unbedingt nur eine Frage des Alters und der Reife der Kinder sein. „Je jünger die Kinder sind, desto eher ist das natürlich eine Entscheidung der Eltern. Wenn ein Kind dann aber einmal in einem Alter ist, in dem es auch bei anderen wesentlichen Dingen in seinem Leben mitentscheidet, sollte es auch in diese Entscheidung miteinbezogen werden. Denn Kinder, die die Medikamente nicht nehmen wollen, verweigern diese ohnehin oder spucken sie heimlich auf der Toilette wieder aus.
Ich würde mein Kind hier ganz genau aufklären, ihm die Vor- und Nachteile klar darlegen, ihm auch sagen, welchen Weg ich als Mutter oder Vater wählen würde und aus welchen Gründen und dann wird eine gemeinsame Entscheidung getroffen. Und wenn das Verhältnis immer gut war und Kinder Vertrauen zu ihren Eltern haben, wenn sie das Gefühl haben, die Eltern haben es sich noch nie einfach gemacht, sondern so oder so entschieden, WEIL sie ihr Kind lieben, wird das Kind ohnehin der Empfehlung der Eltern folgen.“

Kinder mit ADHS brauchen manchmal besondere Aufmerksamkeit, Unterstützung und vor allem bedingungslose Liebe. Zwar ist das für alle Kinder wichtig, für ADHS-Kinder aber manchmal umso mehr. Man sollte ihnen auch immer klar machen, dass bestimmte Regeln und Grenzen nicht aufgestellt werden, weil man gegen sie ist, sondern gerade weil man sie lieb hat und beschützen möchte.

Man sollte hinter ihnen stehen und auch immer auf ihrer Seite sein. „Wenn das Umfeld den „unerzogenen Balg“ kritisiert, sich auf keine Diskussion im Sinne von „Er/Sie hat ADHS, kann nichts dafür …“ einlassen. Man erntet als Mutter oder Vater nur verletzende Gegenargumente wie „So ein Unsinn, ADHS gibt es doch gar nicht“, oder „Alles nur Ausreden, der braucht nur ein paar hinten drauf!“. Ich hab dann meistens gesagt, dass wir uns sehr wohl um die Erziehung unserer Kinder bemühen würden, nur sehen unsere Bemühungen eben anders aus als vor 50 oder 60 Jahren – und habe dem gegenüber mit einem sehr bestimmten Blick zu verstehen gegeben, dass die Diskussion damit beendet sei.“

Das Leben mit einem ADHS-Kind ist nicht immer einfach, dafür sind die guten Eigenschaften meist noch stärker ausgeprägt als bei Kindern ohne ADHS. „Sie haben eine extreme Gabe, sich in andere hineinzufühlen, riesige Tierliebe, absolut große Hilfsbereitschaft, hohe Analysefähigkeit, superfeine Antennen für Stimmungen und Schwingungen, Reaktionsschnelligkeit in Ausnahmesituationen und noch ganz vieles mehr.“

Genau das möchte Anna Maria Sanders Eltern mit ihrem Buch zeigen. Und es wird nicht das letzte sein, was man von Max und seiner Familie hört. In einem halben Jahr wird ein Buch über Max‘ Erfahrungen in der Schule erscheinen und danach sollen die Leser Max in der Pubertät und im Erwachsenenleben kennenlernen. Bei allen diesen Büchern wird Anna Maria Sanders wieder durch ihren Sohn unterstützt, der ihr viele Einblicke in sein Leben und seine Gedankengänge gibt, und natürlich von ihren eigenen Erfahrungen als Person mit ADHS.  

Foto: Shutterstock/Sangoiri

 

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