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Raus aus dem Anforderungsstress – entspannt euch!

„Raus aus dem Anforderungsstress!”, denn das Ergebnis sind wahrnehmungs- und konzentrationsgestörte Kinder sowie Überforderung bei allen Beteiligten, warnt Ulrich Conrady, Baby Express sprach mit dem Neurobiologen und Buchautor, der sich eine Welt wünscht, in der Kinder Gefühle zeigen und Fehler machen dürfen.

1.     Was können Eltern tun, um Ihren Kindern zu mehr Ruhe zu verhelfen?

Ulrich Conrady: Das Beste, was sie tun können, ist, zuhause selber die Ruhe zu bewahren. Wer immer nur getrieben und selbst nicht in seiner der Mitte ist, wird sich schwer tun, den eigenen Kindern zur Ruhe zu verhelfen. Das Vorbild hat eine höchst prägende Kraft. Erziehung ist immer auch vorrangig Selbsterziehung. Dazu wir als Erwachsene auch in Lage sein, einmal neben uns zu treten und uns kritisch zu hinterfragen, ob unser Verhalten von den Kindern verstanden und eingeordnet werden. Je mehr Widersprüche wir uns in unserer eigenen Lebensführung „erlauben“, desto schwieriger wird es für das Kind, einen darauf aufbauenden eigenen Weg zu finden. Wer nicht möchte, dass die Kinder so viel Fernsehen schauen, sollte selbst den Apparat öfter ausgeschaltet lassen. Eigentlich ist Vorbild sein, ganz einfach.

2.     Das Kind so zu akzeptieren, wie es gerade ist, klingt einfach. Sollten Eltern alle Launen und Ansichten des Kindes widerstandslos akzeptieren?

Definitiv nein. Es gibt in der Eltern-Kind-Beziehung eine klare Rollenverteilung. Mutter und Vater sind für Kinder Orientierungspunkte, die mit eindeutigen und unmissverständlichen Regeln die Leitplanken für das gemeinsame Leben setzen. Natürlich wollen Kinder die Grenzen austesten. Wenn sie dabei feststellen, dass diese eigentlich beliebig sind, sind weitere Konflikte schon vorprogrammiert. Eltern sollten also am besten so auf die Launen ihrer Kinder schauen, wie sie auch auf ihre eigenen Launen schauen. Die Erfahrung eines Erwachsenen zeigt: Statt jedes mal Stimmungsschwankungen nachzugeben, auf das zu bauen, was uns verlässlich erscheint, ist das überlegene Konzept. Diesen Konflikt auszuhalten und auch mit den Kindern auszutragen, ist Teil der Elternaufgabe und - Verantwortung. Am Ende profitieren beide davon.

3.     Was machen Eltern im Umgang mit Ihren Kindern besonders häufig falsch?

Zunächst machen viele Eltern im Umgang mit ihren Kindern vieles richtig. Das ist ja in der Regel keine Aufgabe, auf die man lange und akribisch vorbereitet wurde. Die eigenen Erfahrungen und ein aufmerksamer Blick auf die Umgebung sind entwicklungsgeschichtlich schon immer ein ganz guter Kompass gewesen. Was Kinder aber gar nicht verstehen und einordnen können, ist Beliebigkeit oder Widersprüchlichkeit des gelebten Vorbilds. Wer Tischsitten einfordert, die Mahlzeiten aber immer wieder vor den Fernseher verlegt, sollte sich nicht wundern, wenn dieses Erziehungsziel nicht fruchtet. Ich staune immer wieder, wenn ich im Restaurant Familien sehe, bei denen die Kleinsten im Kinderstuhl mit dem Tablet ruhiggestellt werden. Das mag gestressten Eltern vielleicht kurzfristig Ruhe verschaffen. Ganz abgesehen von der definitiven Reizüberforderung, läuft da in der frühkindlichen Prägung und in der sozialen Orientierung schon mächtig was schief.

4.     Was machen Eltern richtig – oder wie können Sie es richtig machen?

Sich zuwenden, auf die Kinder einlassen und dabei das Gesamtfamilienprojekt nicht aus dem Auge verlieren, machen viele Eltern wie schon gesagt instinktiv richtig. Wenn wir von Erziehung als Selbsterziehung sprechen, sollte dazu immer auch eine selbstkritische Reflexion gehören. Ist das, was wir von den Kindern erwarten, altersadäquat und ihren biologischen und neuronalen Voraussetzungen zu schaffen. Wer in der frühkindlichen Erziehung auf eLearning setzt und glaubt, damit das Rumtoben draußen und das buchstäbliche „Begreifen“ der uns umgebenden Welt ersetzen zu müssen, sollte sich nicht wundern, wenn die Kleinen am Ende erhebliche basale Defizite in ihren koordinativen und kognitiven Fähigkeiten haben. Die sind dann auch mit viel Nachhilfe und weiteren Computerprogrammen kaum noch zu beheben.

5.     Sie plädieren für ein kleines „Notfallhandy“ – wie soll Kindern klargemacht werden, dass dieses ausreicht? Der Gruppenzwang hin zu technisch neuesten Geräten ("iPhone-Hype"), gerade unter Schülern, ist doch extrem groß. Wer hier nicht „mitspielt“, wird schnell zum Außenseiter.

Wenn eine Gruppe Eisschwimmer im Winter auf einer Brücke steht und Ihnen sagt, dass das Schwimmen zwischen den Eisschollen toll ist, springen Sie dann rein? Im Ernst: Gruppenzwang darf doch nicht die eigene Vernunft ausschalten. Smartphones gehören nicht in die Hände von kleinen Kindern. Sie verursachen mit ihren medialen Reizen einen messbaren Dauerstress. Und da ist noch nicht die Rede davon, dass auf ungeschützten Online-Kanälen Inhalte dargeboten werden, die nicht für Kinder bestimmt sind. Zudem wird über die soziale Vernetzung und die oft grenzenlose Verfügbarkeit ein Dauerfeuer auf die Sinne eröffnet, dem sich Kinder selbst nur sehr schwer entziehen können. Das Sicherheitsargument von Eltern ist allerdings nicht von der Hand zu weisen. Aber dafür ist ein „Notfallhandy“, mit dem man nur langweilig telefonieren kann, vollkommen ausreichend. 

Lesen Sie das gesamte Interview in der aktuellen Sommerausgabe des Baby Express. Jetzt neu bei Ihrem Kiosk oder Zeitschriftenhändler.

Foto: Shutterstock/ Vitaly Mateha

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