babyexpressdoktorspielebarbara-mucha-media

Tabuthema Doktorspiele bei Kindern

Doktorspiele – wohl jeder hat in seiner Kindheit Erfahrungen mit ihnen gemacht. Doch wie reagiert man als Eltern, wenn die eigenen Kinder ihren Körper – ihre eigene Sexualität – bewusst entdecken? Und das auch noch vor aller Augen? Wie besteht man die womöglich peinlichste Situation in seinem Leben? Und wie vermeidet man, mit einer falschen Reaktion Psychosen bei seinem Nachwuchs zu verursachen?

Wichtigste Regel im Krisenfall: Ruhe bewahren. Genauso wie die 29-jährige Susanne. Beim Abendessen war es, als der vierjährige Markus wie beiläufig erzählte: „Es war heute ganz toll bei Michaela. Und nächstes Mal lassen wir beim Doktorspiel auch die Hosen an.“ Wer diese Situation das erste Mal erlebt, muss nach Fassung ringen. Man fragt sich sofort: Sind solche Doktorspiele okay? Eindeutig ja, sagen Verhaltensbiologen. Betrachten, befühlen, cremen, tasten, spritzen, abhören, Fieber messen, gucken, ob „untenrum“ alles gesund ist – all das sind völlig normale Spiele und Zeichen einer gut verlaufenden psychosexuellen Entwicklung. 

Neugierde statt Begierde

Denn was die Kleinen antreibt, ist riesengroße Neugierde und keine sexuelle Begierde. Wenn die Kinder sich mit dem Doktorkoffer in ihrem Zimmer verdrücken, sollte man sich zurückhalten und den Wunsch der Kinder nach Intimität respektieren. Dennoch ist es wichtig, darauf zu achten, dass bestimmte Regeln eingehalten werden. Eine dieser Regeln ist bei Markus und Michaela erfüllt: Sie sind im selben Alter. Ältere Kinder könnten in einer solchen Situation ihre stärkere Stellung in der Gruppe – ihre Macht – unredlich ausnutzen. Daher reagierte Mama Susanne absolut richtig – sie fragt ganz ruhig nach, was gespielt wurde; und wer an dem Spiel sonst noch beteiligt war. 

Grenzen nicht überschreiten

Aber es gilt auch noch zu klären, ob eine zweite wichtige Regel im kindlichen Spiel nicht überschritten wurde: Nichts wird in irgendwelche Körperöffnungen gesteckt. Michaela und Markus haben das ganz von allein berücksichtigt. Die 6-jährige Marie und ihr Freund nicht. Was Maries Mutter berichtet, gehört wohl mit zum Alptraum aller Eltern: Die kleine Tochter wurde beim Doktorspiel verletzt.

Bei aller Dramatik: Auch hier gilt – Ruhe bewahren. Und fragen, was wirklich passiert ist. Auch sollten Eltern keine falsche Scham haben, eine erste Untersuchung nach etwaigen Verletzungen und deren Versorgung selbst zu übernehmen. Mull oder ein mit Eiswürfeln gefüllten Waschlappen reichen für die Erste Hilfe. Dann aber unbedingt zum Arzt oder ins Krankenhaus fahren. Einige Kinderärzte und Gynäkologen verfügen heute über notwendige Instrumente, um eine gynäkologische Untersuchung auch bei Kleinkindern durchführen zu können. 

Marie hatte Glück. Sie trug nur eine leichte Verletzung davon. Aber sie hat jetzt verstanden, warum die Regel, nichts in Körperöffnungen zu stecken, beim Doktorspiel unbedingt einzuhalten ist. Um eigenen Kindern eine solche schmerzhafte Erfahrung zu ersparen, sollte man ihnen so früh wie möglich von diesen Spielregeln erzählen. Oder besser: Diese Regeln und den Grund für ihre Aufstellung ausführlich erklären. Die Kinder müssen selbst dahinter kommen – müssen es begreifen –, warum es Regeln gibt. Simple Verbote machen eine Sache nur interessant. Und spornen die Kleinen leider noch mehr an, hinter das vermeidliche große Geheimnis zu kommen.

Kindliche Nacktheit

Das gleiche gilt für kindlichen Exhibitionismus. Unbekleidetes Umherrennen im elterlichen Garten ist eine tolle Sache. Es birgt ein phantastisches Körpergefühl. Hier sind die Eltern jedoch gefordert, die Kinder vor neugierigen Blicken anderer zu schützen. Auch wenn die Nachbarn noch so nett sind. Das nackte Rumtollen der Kinder und der Blick auf Genitalien sollte dem guten Onkel von gegenüber in diesem intimen Raum verwehrt bleiben.

Denn was auf der einen Seite des Zauns kindliche Neugier ist, kann auf der anderen Seite tatsächliche sexuelle Begierden wecken. „Wenn meine Kinder im Sommer nackt im Garten spielen wollen, wissen sie, dass das in Ordnung ist“, berichtet Jutta T., Mutter der 7-jährigen Luisa und des 5-jährigen Mark. Sobald die Sprößlinge jedoch den gut geschützten Garten in Richtung Spielstraße verlassen wollen, müssen sie sich Badehosen anziehen. Das haben ihnen die Eltern beigebracht. 

„Am Strand im Urlaub ist es etwas anderes. Da dürfen sie entscheiden, ob sie sich ganz ausziehen wollen, oder nicht.“ Doch auch dort gibt es klare, erklärte Regeln. Zumindest, seit Mark ganz eigene Erfahrungen im Schwimmbad gemacht hatte. „Mark war nackt in den Whirlpool gegangen und hatte sich mit seinem Unterleib vor die Massagedüsen gelegt. Er kam mit einer prachtvollen Erektion aus dem Becken.“

Klar, dass alle Leute schauten. Manche irritiert. Manche amüsiert. Manche aber auch – na ja, eben so, wie man bei einem 4-jährigen Buben nicht schauen sollte.

Also erklärte Jutta ihren Kindern, dass alle sexuellen Handlungen nur in bestimmten Rahmen – und Räumen – stattfinden dürfen. Damit sie vor Übergriffen und Mißbrauch geschützt sind und sich auch niemand durch sie gestört fühlt. Offene Gespräche wirken Wunder. Und haben hier dazu geführt, dass die Kinder weiterhin ihre eigene Sexualität ausleben können und dabei ganz natürlich wachsam sind vor möglichen Konflikten.

Grenzen erkennen

Denn wie war noch Regel Nummer Eins? – Möglichst nur mit Gleichaltrigen. Mark hat verstanden, dass sein Spiel für einen Erwachsenen andere Bedeutungen haben kann als für ihn und seine Freunde. Aber er hat auch verstanden, dass dies ganz allein sein Spiel ist. Und das seine Freiheit, bestimmte Dinge zu erleben, dort aufhört, wo sie in den Erlebniskreis anderer – Kinder und Erwachsener – eingreift. So, wie die Schlafzimmertür seiner Eltern manchmal für ihn verschlossen bleibt, so darf – und muss – er seiner Sexualität eigene Grenzen geben.

Dazu gehört, dass Kinder lernen, „Nein“ zu sagen. Auch in folgender Situation: In einer Gruppe von sechs gleichaltrigen Kindern war Doktorspielen in wechselnden Konstellationen gerade große Mode. Es wurden Puppen-Babys geboren und auch geschaut, wo denn der „kleine Unterschied“ liegt. Doch eines Tages war das natürlich Gleichgewicht des Spiels gestört. Die Mutter, in deren Haus das Treiben regelmäßig stattfand, sah sich mit heftigem Protest ihrer eigenen Tochter konfrontiert: „Janina will immer der Doktor sein. Sie will immer, dass wir uns ausziehen. Das wollen wir aber nicht. Das macht keinen Spaß.“ 

Verbote sind fehl am Platz

Janina zeigt mit ihrer Verhaltensweise ein untypisch großes Interesse für Sexualität. Ein sicheres Zeichen dafür, dass ihre Eltern beim Thema Sexualität bisher unsicher reagiert oder bestimmte Beschäftigungen strikt verboten haben. Da sind sich Verhaltensbiologen sicher. Sonst hätte Janina nicht die letzten drei, eigentlich selbstverständlichen Regeln beim Doktorspiel so massiv verletzt: Alle müssen mitspielen wollen; es wird im Spiel nur das getan, woran alle Spaß haben; und es wird nur solange getan, wie alle es wollen.

Janina musste lernen, das Nein der Spielkameraden zu akzeptieren. Und Janinas Eltern, dass, was immer Kinder im Bereich ihrer Sexualität entdecken und ausprobieren, es noch nichts mit der erwachsenen, lustvollen Begierde zu tun hat, die erst in der Pubertät erwacht. Deswegen sind Verbote fehl am Platz, wissen Psychologen, Kinder wollen ihren Körper entdecken und erfahren. Das finden sie ebenso spannend wie das neue ferngesteuerte Auto oder den Sternenhimmel.

Foto: Shutterstock/
Freeman Studio

 

Bitte anmelden um Kommentare verfassen zu können.

JInput Object ( [options:protected] => Array ( ) [filter:protected] => JFilterInput Object ( [stripUSC] => 0 [tagsArray] => Array ( ) [attrArray] => Array ( ) [tagsMethod] => 0 [attrMethod] => 0 [xssAuto] => 1 [tagBlacklist] => Array ( [0] => applet [1] => body [2] => bgsound [3] => base [4] => basefont [5] => embed [6] => frame [7] => frameset [8] => head [9] => html [10] => id [11] => iframe [12] => ilayer [13] => layer [14] => link [15] => meta [16] => name [17] => object [18] => script [19] => style [20] => title [21] => xml ) [attrBlacklist] => Array ( [0] => action [1] => background [2] => codebase [3] => dynsrc [4] => lowsrc ) ) [data:protected] => Array ( [Itemid] => 162 [option] => com_content [view] => article [catid] => 23 [id] => 5287 ) [inputs:protected] => Array ( [cookie] => JInputCookie Object ( [options:protected] => Array ( ) [filter:protected] => JFilterInput Object ( [stripUSC] => 0 [tagsArray] => Array ( ) [attrArray] => Array ( ) [tagsMethod] => 0 [attrMethod] => 0 [xssAuto] => 1 [tagBlacklist] => Array ( [0] => applet [1] => body [2] => bgsound [3] => base [4] => basefont [5] => embed [6] => frame [7] => frameset [8] => head [9] => html [10] => id [11] => iframe [12] => ilayer [13] => layer [14] => link [15] => meta [16] => name [17] => object [18] => script [19] => style [20] => title [21] => xml ) [attrBlacklist] => Array ( [0] => action [1] => background [2] => codebase [3] => dynsrc [4] => lowsrc ) ) [data:protected] => Array ( ) [inputs:protected] => Array ( ) ) [request] => JInput Object ( [options:protected] => Array ( ) [filter:protected] => JFilterInput Object ( [stripUSC] => 0 [tagsArray] => Array ( ) [attrArray] => Array ( ) [tagsMethod] => 0 [attrMethod] => 0 [xssAuto] => 1 [tagBlacklist] => Array ( [0] => applet [1] => body [2] => bgsound [3] => base [4] => basefont [5] => embed [6] => frame [7] => frameset [8] => head [9] => html [10] => id [11] => iframe [12] => ilayer [13] => layer [14] => link [15] => meta [16] => name [17] => object [18] => script [19] => style [20] => title [21] => xml ) [attrBlacklist] => Array ( [0] => action [1] => background [2] => codebase [3] => dynsrc [4] => lowsrc ) ) [data:protected] => Array ( [Itemid] => 162 [option] => com_content [view] => article [catid] => 23 [id] => 5287 ) [inputs:protected] => Array ( ) ) ) )
Cookies dienen der Benutzerführung und der Webanalyse und helfen dabei, die Funktionalität der Website zu verbessern, um Ihnen den bestmöglichen Service zu bieten. Nähere Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.
Datenschutzerklärung Ok